Letzter Tag für die Kollegen auf dem Brocken

Das Brockengespenst nimmt Abschied … Foto: Katja Osterloh

Heute ist ein schwerer Tag für die letzten verbliebenen Kollegen der Wetterwarte Brocken. Sie müssen sich schweren Herzens von ihrem geliebten Berg verabschieden. Und auch der Brocken schickte einen letzten Gruß – wie seinerzeit auch der Fichtelberg – in Form eines Brockengespenstes. Es ist, als würde die Seele des Berges die Kollegen an ihrem letzten schwarzen Tag an die Hand nehmen und trösten wollen.

Bereits am 1.01.2020 begann mit der letzten Augenbeobachtung der Tot auf Raten. Aber noch durften einige Kollegen Tagesdienst auf dem Berg machen und zumindest wochentags die Schneehöhen und Niederschlagswerte messen. Ab morgen fallen diese Werte weg und eine 184-jährige Klimareihe wird es in der bisherigen Qualität nicht mehr geben.

Der letzte Beobachter Marc Kinkeldey verabschiedet sich:

Nach nun fast 185 Jahren erwischt es auch den Brocken mit seinen eigenwilligen und verrückten Beobachtern. Mehr als 100 Beobachter haben dem deutschlandweit härtestem Wetter getrotzt und hier täglich rund um die Uhr ihren Dienst verrichtet.

Alles begann 1836 im alten Brockenhotel wo Eduard Nehse, ausgestattet mit dem Equipment das wir heute noch benutzten, die ersten Wetteraufzeichnungen machte. Rasch wurde der Besucherandrang auf dem Berg zu groß und die Räumlichkeiten wurden gebraucht. So wurde 1895 auf Initiative von Dr. Aßmann, Dr. Hellmann und Georg Neumayer das erste Brockenobservatorium errichtet. Zuvor aber bereits 1880 vom Dr. Hellmann der Gebirgsregenmesser entwickelt, welcher seit 1886 bis zum heutigen Tage bei uns im Einsatz war. Durch den Bau vom Fernsehsender wurde die Station 1937 noch einmal, nur 200m entfernt südöstlich des alten Standorts errichtet. Auch während des 1. und 2. Weltkrieges sowie zu DDR Zeiten war die Station immer rund um die Uhr besetzt. Am 1.1.2020 endete dann mit der Automatisierung nach 184 Jahren die konventionelle Wetterbeobachtung. Die Sensoren erreichen nicht den Zustand was der Mensch mit seinen Augenbeobachtungen leistete, etliche Sensoren wie Schneehöhensensor und Regenmesser fehlen weiterhin.

Nach nun fast 185 Jahren verlasse auch ich mit einem tränendem Auge den Berg. Es waren 20 phantastische Jahre in der Wetterküche Brocken. Viele Erinnerungen bleiben und diese können einem nicht genommen werden. Ich bedanke mich bei allen, die uns bis zuletzt unterstützt, bei Personalnotstand ausgeholfen und uns zur Seite gestanden haben.

Nun ist die Station verwaist, schon teils geräumt. Die mehr als 1300 gesammelten Frösche sind an die Mosel zu neuen Besitzern ausgewandert. Manche Jahre waren bis zu 2500 Besuchern zu Führungen an der Station und da war auch Weihnachten egal. Diverse Fernsehteams und Radiosender gaben sich hier oben die Klinke in die Hand, manchmal verloren sie dabei auch ihre Fahrertür, da der Orkan zu stark war.

Nun wird es ruhig in der geschichtsträchtigen Wetterwarte Brocken. Der Automat summt, der Sturm heult, die Räume sind leer.

Da wir den Schmerz der stets engagierten Mitarbeiter sehr gut nachempfinden können, leiden wir mit und wünschen den Kollegen von ganzem Herzen alles Gute und vor allem viel Kraft für die Zukunft und für die neuen Aufgaben. (ch)
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4 Antworten zu Letzter Tag für die Kollegen auf dem Brocken

  1. Das ist ein weiteres Beispiel für die Kehrseite der Digitalisierung 😦

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  2. T schreibt:

    Es hat noch nicht laut genug geknallt in diesem Land. Es dauert noch etwas, bis man wieder zurückfindet auf das was uns ausmacht.

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  3. Der Emil schreibt:

    Digitalisierung und Automation schön und gut. Aber die menschlichen Beobachtungsfähigkeiten sind dadurch nicht ersetzbar …

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  4. Anette Aslan schreibt:

    Wenn mal – aus welchem Grund auch immer – die Elektronik aussfällt, sind die alten Hasen gefragt. Ja, die Zeiten, wo Beruf und Romantik sich irgendwie noch überschneiden konnten, sind endgültig vorbei. Bei Sonnenaufgang mit starken Pferden durch den Acker pflügen, mit einer Dampflock wohin zu brausen oder der Kutsche zu fahren oder aber der Zauber, der den Wetterwart umgeben hat … vorbei.
    LG von Anette

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