Jelení (Hirschenstand) – kältester Ort des Erzgebirges?

Wetterstation in Jeleni. Foto: Libor Čihák Junior

Als kältester bewohnter Ort Deutschlands hat sich in den letzten Jahren Kühnhaide etabliert. Aber auf der böhmischen Seite des Erzgebirges gibt es Messpunkte, wo es noch kälter ist. Einer davon ist Jelení (Hirschenstand), den wir heute vorstellen möchten.

Jelení liegt im Westerzgebirge auf einer Höhe von 860 Metern, etwa 10 km nördlich von Nejdek und 2 km von der deutsch-tschechischen Grenze entfernt. Wie Kühnhaide liegt es in einem baumlosen Hochtal, nämlich im Tal des Schwarzwasserbaches (Černá Voda), welches aber 130 Meter höher liegt als Kühnhaide und zudem auch weiter ist, so dass in klaren Nächten jeglicher Hauch von Restwärme abstrahlen kann.

Vergleich

Die Wetterüberwachung in Jelení begann im Jahre 1879. Damals errichtete Emanuel Purkyně ein großes Stationsnetz in Böhmen. Niederschlags-Messstationen gab es damals zum Beispiel in Hirschenstand (Jelení), Frühbuß (Přebuz), Nancy (bei Přebuz Richtung Graslitz), Graslitz (Kraslice, seit 1876), Trinksaifen (Rudné), Neuhammer (Nové Hamry), Salmthal (Pstruží), Ahornswald (bei Šindelová, existiert heute nicht mehr), usw. Die Daten gingen nach 1882 verloren und einige Stationen wurden abgebaut. Im Archiv des Tschechischen Hydrometeorologischen Instituts sind Daten aus Jelení von 1927-1938 vorhanden. Damals lag die Station allerdings etwas höher am Südhang, so dass die Temperaturen etwa 2-3°C über den heutigen lagen. Niederschlagsdaten wurden in Jahrbüchern von 1879 bis 1882 und 1927 bis 1946 gefunden.

František Nedvěd und sein Freund Miroslav Hůla begannen 2009 erneut, Messungen von Temperatur und Niederschlag in Jelení vorzunehmen. Die Station ist ein Projekt von Antonin Vojvodik, Marek Matousek und Freunden, die zusammen viele Messstationen an interessanten Orten initiiert hat.

Die bisher niedrigste Temperatur in Jelení wurde am 6.2.2012 mit -38,6°C registriert. Allerdings berichteten Einheimische, dass sie in den 80er Jahren sogar Temperaturen bis -40°C gemessen haben. (František Nedvěd, ch)

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3 Antworten zu Jelení (Hirschenstand) – kältester Ort des Erzgebirges?

  1. meteocb schreibt:

    Klasse Beitrag!
    Die lokalen Gegebenheit in diesem baumlosen Hochtal sind natürlich 1a für kalte Nächte. Es ist flach, relativ groß und die Kaltluft kann sich perfekt sammeln. Mich wundert es überhaupt nicht, dass dort in der Vergangenheit -40 Grad gemessen werden konnten. Mit passenden Bildern vor Ort, sehr gut.

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  2. Anette Aslan schreibt:

    Hochinteressant!
    Mein Kommentar kommt ein bissel spät, aber habe jetzt erst die Muse gehabt, mir mal die kältesten Orte in Mitteleuropa anzuschauen. Was mir bei Jeleni auffällt ist ja nicht nur die exponierte Lage und freie, baumlose Fläche, sondern so etwas wie ein Brennpunkteffekt (will es mal so benennen), der sich an Orten einfindet, wo Licht und Schatten sehr intensiv nebeneinander stehen. Ich habe solche Stellen auch bei mir im Garten. Wo es unbewachsene freie Flächen gibt, hält sich ganz klar wegen der Strahlung der Frost am längsten und dort messe ich auch die tiefsten Temperaturen, aber auch die höchsten, dort ist die Vegetation immer etwas sehr in Mitleidenschaft gezogen, also verbrannter Rasen im Sommer, während er an schattigeren Plätzen besser und üppiger wächst.
    Mich würde interessieren, wie sich die Höchsttemperaturen im Sommer dort verhalten und wie sich das alles auf die Vegetation auswirkt, ob die Wiesen da oben im Sommer auch recht ausgedörrt sind?
    Wenn ich im Hochsommer bei mir im Garten auf so einer offenen Fläche stehe, ist es vor Hitze kaum auszuhalten, zwei Meter weiter unter Bäumen schon total anders, da meine ich regelrecht die Grenzbereiche zwischen Licht und Schatten deutlich zu spüren. Wenn das alle auch noch wie in Jeleni kreisrund ist, dann wird alles auch noch gehalten und verstärkt, kann das sein? Denn es gibt ja in Mittelgebirgen viele solche Flächen auf 850m Höhe, der Kahle Asten z.B., aber viel durchwachsener und da misst man schon nicht mehr solche Extreme.
    LG von Anette

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    • ch schreibt:

      Liebe Anette, die böhmische Seite des Erzgebirges ist nur sehr dünn besiedelt, da 1945 zahlreiche Menschen vertrieben und deren Städte dem Erdboden gleichgemacht wurden. Insofern sind viele freie unbesiedelte Hochflächen entstanden. Dort haben sich seltene Tiere und Pflanzen niedergelassen. Im leider nur kurzen Sommer gibt es dort prachtvoll blühende Wiesen mit unzähligen Insekten und Schmetterlingen, wie man sie anderswo kaum noch findet. Und das trotz sommerlicher (in diesem Jahr recht zahlreicher) Morgenfröste. Allerdings kommt der Herbst sehr früh und bereits Ende August ist das meiste verblüht und dann werden die Wiesen gelb. Die Tagestemperaturen sind der Höhe entsprechend, die Spanne zwischen Tag- und Nachttemperaturen ist aber ungewöhnlich hoch.
      LG Claudia

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