Mikroklima am Fagradalsfjall

Alle 5-8 Minuten eruptiert der Vulkan am Fagradalsfjall (ch)

Auf mehrfachem Wunsch möchten wir einen kleinen Artikel zum isländischen Vulkan veröffentlichen, den wir über Pfingsten besuchen durften, und – da dies ein Wetterblog ist – auf das höchst interessante Mikroklima des Vulkans eingehen.

Der Name des Vulkans, der etwa 27 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Reykjavík liegt, ist noch nicht eindeutig festgelegt, denn es ist ja nicht direkt der Fagradalsfjall ausgebrochen, sondern es haben sich zu Füßen des Berges mehrere Spalten gebildet, aus denen reichlich Lava fließt und neue Vulkankegel entstanden sind. Er wird deshalb entweder Geldingadalagós (Vulkan der Geldingatäler) oder „gosið við Fagradalsfjall” (Ausbruch beim Fagradalsfjall) genannt. Das Lavafeld wird nach Vorschlag der Gemeinde Grindavik Fagradalshraun heißen.

Über Island verläuft die Grenze zweier sich mit einer Geschwindigkeit von über 2 cm im Jahr voneinander entfernenden Kontinentalplatten, der eurasischen und der amerikanischen Platte. Die Halbinsel Reykjanes liegt direkt auf dieser Grenze. Hier kommt sozusagen der mittelatlantische Rücken an Land, hier kommen Plattenverschiebung und aktiver Vulkanismus zusammen. Erdbeben sind keine Seltenheit, doch seit Ende 2019 sind die Beben häufiger und kräftiger geworden. Es wird angenommen, dass dieser zum Fagradalsfjall (dem kleinsten Vulkansystem auf Reykjanes, gelegen zwischen Svartsengi und Krýsuvík) gehörende Ausbruch der erste von vielen Eruptionen in den nächsten 200-300 Jahren sein wird, einfach, weil es in der Vergangenheit meist so war. Allerdings gehört der Vulkanismus auf Reykjanes zu den kompliziertesten und undurchsichtigsten auf ganz Island und niemand weiß wirklich, was passieren wird.

Nachdem die Reykjanes-Halbinsel 15 Monate lang von über 50.000 Erdbeben erschüttert wurde, kam die Spalteneruption am Abend des 19. März nicht überraschend. Aus einem Erdriss quoll glühende Lava hervor und erhellte die dunkle Landschaft. Die Lava ergoss sich zunächst 3 Wochen lang aus dieser ersten Spalte mit dem Zwillingskrater, bevor sich innerhalb von weiteren drei Wochen auf einer Länge von etwa 500 Metern 4 neue Spalten auftaten. welche neue Vulkankegel bildeten. Inzwischen konzentriert sich die Eruption auf eine einzige Stelle und bildete einen steilen, hoch aufragenden Kessel aus frisch abgekühltem Gestein von inzwischen etwa 100 Metern Höhe. Dort kann man derzeit alle 5-8 Minuten pulsierend einen Ausbruch mit reichlichem Lavafluss erleben, der (nicht immer) langsam die umliegenden Täler füllt. Besonders eindrucksvoll sind dabei die Geräusche, das Grollen des Vulkankegels beim Ausbruch, gefolgt von einem Krachen am Ende durch die Verpuffung von Wasserstoff. Oder das Knirschen der erstarrenden Lava, die durch neue geschmolzene Gesteinsmassen weitergetrieben wird.

Veränderung des Vulkansystems vom 20. März bis 20. Mai 2021. Fotos: Kerstin Langenberger

Aber nicht nur der Vulkan hat sich im Laufe der Zeit stark verändert, sondern auch der Zugang zu diesem. Zum vorher kaum besuchten Tal bildete sich schnell ein Trampelpfad, der bald abgesteckt und zunehmend ausgebaut wurde. Inzwischen ist der ehemals rutschige und steinige Weg einem Fahrweg gewichen, der in Notfällen sogar für Versorgungsfahrzeuge passierbar ist. Anfangs gehörte der Vulkan pandemiebedingt allein den Isländern, inzwischen strömen Touristen aus vielen Ländern (vor allem Europa, Israel und den USA) in Scharen herbei, oft herrscht am Vulkan eine wahre Völkerwanderung und vor allem abends großer Andrang. Freiwillige Einsatzkräfte überwachen zur Sicherheit der Menschen das Geschehen am Berg, messen permanent die Gasbelastung und beantworten geduldig Fragen.

Auch hat sich der Vulkan ein eigenes Mikroklima geschaffen. Wenn bei seinen Ausbrüchen plötzlich extrem heiße Luft aufsteigt, setzt starke Thermik ein, die durch starke superadiabatische Bedingungen (große Temperaturunterschiede mit Umgebungsluft) nicht nur Aschewirbel über dem Vulkan oder Staubteufel in der Umgebung bilden kann. Vor allem bei feuchten Luftmassen gibt es über dem Vulkan reichlich Kondensation und die hohe Aerosoldichte sorgt für zusätzliche Eiskeime in den Wolken, die ein Abregnen begünstigen. So kann es nach Durchzug von Regengebieten am Vulkan noch sehr lange regnen, während in der Umgebung die Luft bereits austrocknet und die Wolken sich auflösen.

Am 23.05.2021 konnten wir sogar eine tiefe, horizontal ausgerichtete Arcus-Wolke beobachten. Solche Wolkenwalzen entstehen normalerweise am Grenzbereich der Luftmassen von Gewitterwolken. Aber auch bei einem Vulkan kann wohl die bodennahe Kaltluft die höher liegende Warmluft(blase?) anheben und zum Rotieren bringen.

Für uns war der Besuch am Vulkan die Erfüllung eines Lebenstraum. Nur selten kommt man relativ gefahrlos so nah an einen Vulkan und dessen Lava heran, um ihn intensiv spüren und erleben zu können. Dieses Erlebnis ist kaum in Worte zu fassen. Wir sind tief beeindruckt und bedanken uns bei allen, die uns geholfen und dieses Erlebnis möglich gemacht haben.
(Text: ch, Kerstin Langenberger)

Fotos: Claudia und Wolfgang Hinz

Links zum Vulkan

Livecams (Links ändern sich):
https://www.youtube.com/watch?v=BA-9QzIcr3c
https://www.youtube.com/watch?v=7AdRsDhgQ_8
https://www.youtube.com/watch?v=LOJz4aDKSRY

Facebookseite von Kerstin Langenberger mit zahlreichen Liveberichten vom Vulkan: https://www.facebook.com/kerstin.langenberger.5

Vulkane News Blog von Marc Szeglat: http://www.vulkane.net/blogmobil/category/nachrichten-ueber-vulkanausbrueche/

Infos zu Wanderungen zum Vulkan: https://safetravel.is/eruption-in-reykjanes


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2 Antworten zu Mikroklima am Fagradalsfjall

  1. manni magma schreibt:

    Danke den Damen für diesen informativen und reichlich bebilderten Artikel. Die Staubteufel habe ich auf den verschiedenen Live Links zufällig miterlebt. Was das perspektivische Wann, Wo und Wie der Ausbrüche betrifft – wer hat schon die richtige Glaskugel.

    Gefällt 1 Person

  2. Anette Aslan schreibt:

    Phantastische Aufnahmen! Das sind ja Urzeitdokumente. Vor allem das Mikroklima mit dem noch längeren Niederschlag der Vulkanwolke lässt mich vermuten, dass auf diese Weise das Wasser auf die noch junge Erde im Übermass kam, denn sie war überall am Brodeln und Spuken, dadurch könnte man sich die Bildung der Ur-Meere erklären.
    Gruss von Anette

    Gefällt 1 Person

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