Gedanken zur Automatisierung der Wetterwarte Fichtelberg

1944-Wetterwarte

Wetterwarte mit begehbarer Wetterlaube um 1944. Quelle: Fotoarchiv Wetterwarte Fichtelberg

Automatisierung wörtlich genommen heißt, schwere oder eintönige Tätigkeiten zu erleichtern. Schon beim Bau der Wetterwarte hat Prof. Paul Schreiber 1915 versucht, es dem Personal so einfach wie möglich zu machen. Zentralheizung und WC seien hier nur stellvertretend genannt. Selbst ein beheiztes Windmessgerät hatte Prof. Schreiber damals entwickelt, das auch im Winter bei Schnee und Eis möglichst genaue Werte liefert. Niederschläge wurden so gemessen, dass man dies auf der nach Süden ausgerichteten Terrasse von Innen tun konnte. Sogar die Lufttemperatur und -Feuchte wurde ermittelt, indem man durch einen 3 Meter langen Gang in eine Laube gelangte, um dort in der noch heute üblichen Wetterhütte entsprechende Werte abzulesen. Diese Methoden sollten den Wetterbeobachter vor Wind und Wetter schützen. Sehr vom Nachteil aber waren Ungenauigkeiten, hervorgerufen durch das Gebäude der Wetterstation. Nach kurzer Zeit wurde das erkannt und die Messungen, wie anderswo auch, im Freien durchgeführt.

Wieviel Aufwand bedurfte es in den Anfangsjahren, die Wetterwarte Fichtelberg mit Personal bei Wind und Wetter am Leben zu erhalten. Wieviel Mühe hat es gekostet, das Gebäude durch zwei Weltkriege hindurch zu führen und 1945 vor einer angeordneten Sprengung zu bewahren.

Bis heute setzten sich die Automatisierungsbestrebungen weiter fort. Mit dem Einzug der Elektronik, Computer- und Informationstechnik gelang es, wichtige Parameter nahezu ohne menschliches Zutun zu gewinnen. Beginnend mit Fernanzeigen gelangen heute Wettermeldungen automatisch an die Zentrale nach Offenbach. Hinzu kommt, dass viele Parameter nun nicht mehr nur stündlich, sondern durchgehend erfasst werden. Mit diesem Stand der Technik haben sich für die Mitarbeiter deutliche Erleichterungen ergeben. Der stündliche Weg zum 20 Meter hohen Turm zur Ermittlung der Windwerte erübrigte sich beispielsweise.

Nun könnte man meinen, dass damit der Mensch völlig durch automatische Wetterstationen ersetzt werden kann. Und viele Bestrebungen zeigen genau das an. Um dem wissenschaftlich zu begleiten, hat man im DWD deutschlandweit Klimareferenzstationen erschaffen, die mindestens 20 Jahre altherkömmliche Messmethoden mit den heutigen vergleicht, um auch Anforderungen an neue Sensoren zu formulieren, die den Übergang zur automatischen Messung in mindestens gleicher Qualität ermöglicht. Leider wurden auf dem Fichtelberg nach fünf Jahren diese Vergleichsmessungen eingestellt.

Besonders an Bergstationen ergaben sich in den Auswertungen die größten Differenzen. Dort bereiten die genaue Bestimmung so wichtiger Elemente wie Niederschlag, Schneehöhe und Schneedichte große Schwierigkeiten. Sie sind automatisch nur unter großen Einbußen an Qualität und ohne menschliches Eingreifen gar nicht möglich. Selbst das Vereisen des Temperatursensors wird ohne Personal nicht erkannt werden und zieht unausweichlich Fehlmessungen nach sich. Gerade jetzt, wo der Klimawandel medial stark im Fokus steht, kann man so auf die weitere exakte Temperaturermittlung verzichten?

Satelliten können heute schon Vieles ausgleichen und vor allem flächendeckend Ergebnisse liefern. Am Beispiel der Bestimmung der Schneedecke sind notwendige Kalibrierungen aber nur mithilfe personalbesetzter Bodenstationen möglich. Ohne diese Ankermessstellen werden die Satellitenergebnisse in ihrer Qualität weit hinter denen von Hand ermittelten Ergebnissen zurückbleiben und der Wassergehalt einer Schneedecke eher ein Schätz- als ein Messwert sein.

Gefühle fürs Wetter werden automatische Sensoren nie entwickeln können. Und Vieles, was man hier nebenbei an Natur erlebt und empfunden hat, wird bei der vollautomatisierten Wettererfassung nicht erfasst werden können. Kein Computer erfreut sich an herrlichen Sonnenauf- und untergängen, an Haloerscheinungen, an extremen Fernsichten mit Luftspiegelungen oder herrlichen Regenbögen. Diese seit 103 Jahren in den Tagebüchern aufgeführten Beobachtungen werden ein für alle Mal fehlen und nicht weitergeführt werden und eine unwiederbringliche Lücke reißen.

Vielleicht ist es ein Phänomen dieser Zeit, dass man sich eher in virtuelle Welten (Computer und Smartphones) zurückzieht, weil dort alles so geschieht, wie man es gerne hätte und weil es dort einfacher erscheint, Probleme zu lösen. Kinder und Jugendlichen muss man erklären, was das Wort „Draußen“ eigentlich heißt. Natur ist komplex und kompliziert. Natur muss man erleben und anfassen können und das möglichst von Kindesbeinen an. Wie soll man denn sonst Natur begreifen und wissenschaftlich erkunden, wenn man sie ausschließt. Dort können Emotionen entstehen und nur Emotionen bewegen den Forschergeist. Meteorologen brauchen daher den direkten Naturbezug. Wenn Meteorologen sich in Modellrechnungen ohne diesen Bezug verfangen, besteht die Gefahr, sich genauso von der Natur abzukoppeln und in ähnliche virtuelle Welten abzurutschen.

Zusammenfassend kann man daher einschätzen, dass die Automatisierung viel Positives bewirken kann, aber die Vollautomatisierung von Wetterwarten, vor allem Bergwetterwarten deutlich zu früh stattfindet. Deutschland, das Land mit den ältesten Wetterwarten und den längsten Mess- und Beobachtungsreihen weltweit beschreitet mit dem Vorstandsbeschluss des DWD den Weg der Vollautomatisierung seiner sämtlichen Wetterwarten. Damit geht auch für die Wetterwarte Fichtelberg ab dem 01.01.2019 eine 103-jährige Ära zu Ende. Messwerte von Niederschlag und Schneehöhe wird es von da an nicht mehr geben und viele andere bisher beobachtete Wetterelemente auch nicht!

Ich möchte auf diesem Wege besonders im Namen meines Teams all denen danken, die der Wetterwarte seinen Mitarbeitern und Bewohnern in jahrzehntelanger Treue verbunden waren.

Hochachtungsvoll
Gerd Franze

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15 Antworten zu Gedanken zur Automatisierung der Wetterwarte Fichtelberg

  1. Holger Wetterwarte Görlitz schreibt:

    Hallo Gerd
    Du hast die richtigen Worte gefunden.
    Auch ich hab gestern meinen letzten Dienst gemach.
    Es ist sehr Schade um die „Wetterverückten“ die jetzt in Büros versauern.
    Allen Mittarbeitern alles gute im Jahr 2019

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  2. klimareihenfritze schreibt:

    Nachfrage: „Sehr vom Nachteil aber waren Ungenauigkeiten, hervorgerufen durch das Gebäude der Wetterstation“ – Welchen Einfluss hatte das auf Temperaturreihe? Irgendwelche Inhomogenitäten sind ja in der Fichtelbergreihe (Monats- und Jahresmittelwerte) seit 1916 nicht erkennbar, aber möglicherweise waren die Tmins zu hoch und das Tmax zu niedrig als in der Freilandhütte.

    Nochwas: „Der stündliche Weg zum 20 Meter hohen Turm zur Ermittlung der Windwerte erübrigte sich beispielsweise.“ – Bei starken Schneefällen und intensiven Nebelfrostablagerungen ist der Weg dorthin aber höchstwahrscheinlich auch heute noch notwendig, sonst dürfte der Automat ruckzuck den Geist aufgeben

    Bei den Klimareferenzstationen war in den Pressemitteilungen des damaligen DWD-Präsidenten Kusch übrigens die Rede von 10 Jahren Vergleichsmessungen (nicht 20). Die 5 Jahre auf dem Fichtelberg hätten auch nur dann überhaupt Sinn gemacht, wenn ein automatisches Schneehöhenmessgerät installiert gewesen wäre, das zumindest intern Werte ermittelt hätte und zur Fortführung der bisherigen Handmessungen hätte dienen können. Vielleicht hat / hätte eine Prüfstelle wie Potsdam, Leipzig oder Offenbach dabei erkannt, dass die Abweichungen zu den manuellen Werten viel zu groß sind und deswegen den Referenzstatus aufgehoben und gerade deswegen auf die Fortführung automatischer Niederschlags- und Schneehöhenmessungen auf dem Gipfel verzichtet, weil trotz mehrfacher „Optimierungen“ der automatischen Messbedingungen (grüne Matten statt Schneebretter usw) eine brauchbare Qualität dennoch nicht erzielbar war.
    Leider ist es ja so, dass von den genannten DWD-Zentralen und auch von -Präsident & Vize jeder Gegner des blinden Automatenwahns als Pingelheini und Nostalgiker diskreditiert und diffamiert wird, der am liebsten immer noch Quecksilberbarometer ablesen und den Messwert mit Bleistift in so ein graues Klimatagebuch schreiben möchte. Doch gerade ein Artikel wie dieser zeigt, dass das Personal auf dem Fichtelberg gegenüber technischen Neuerungen immer positiv gegenüberstand.
    Dass von nun an gar keine Niederschlagswerte und Schneehöhen vom Fichtelberg mehr verbreitet werden, darf daher sicherlich als stille Kapitulation vor der harten Bergrealität und als Eingeständnis der Unbrauchbarkeit mancher Klimaparameter gedeutet werden. Auf der Zugspitze z.B. wird ja auch die morgendliche Schneehöhe und der Niederschlag als letzte verbliebene Aufgabe immer noch vom Personal gemessen – das hätte man ja per 1. Juni 2018 anlässlich der „Automatisierung der Augenbeobachtungen“ ebenfalls einstellen können. Warum also ausgerechnet auf dem Fichtelberg?!?

    Vielleicht besteht ja gerade auf diesem Blog hier die Möglichkeit wenigstens gelegentlicher Vergleiche, eben weil die exakte Schneehöhe auf die Dauer äußerst schwer zu modellieren ist. Da die Messreihe jedenfalls zu Klimazwecken immer wieder mal gebraucht wird, werden wir sie notfalls mit Modell- und Schätzwerten (ggf auch einer Kontrolle über Webcambilder) solange weiterführen, wie sich Menschen gerade nicht nur mit einer automatisch ermittelten Temperaturangabe begnügen, sondern sich fürs detaillierte Wetter auf dem höchsten Berg Sachsens interessieren

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  3. oimheidi schreibt:

    Wir haben Deinen Vorschlag aufgegriffen. Schau mal rechts oben.

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  4. klimareihenfritze schreibt:

    @Frank Mockrát děkuji! 🙂 Ja, mit den 5 % Unterschied kann man relativ gut rechnen. Haben Sie zufälligerweise auch Jahressummen vom Keilberg für 2017, 2016, 2015 und 2014? Dann könnte man die Fichtelberg-Messreihe weiterrechnen, denn gemessen wird auf deutscher Seite dem 1.Januar leider nicht mehr.
    Normalwert für den Fichtelberg im Zeitraum 1901-1950 waren 1147 mm (ohne 1903 und ohne 1911-1915). Im Zeitraum 1951-2000 waren es nur noch 1106 mm. Die Klimareihe Fichtelberg sowie von anderen Bergstationen untersuche ich schon lange – unter anderem mit dem Ziel, die verschiedenen Versionen (Originaldaten, aus Publikationen, Onlinedaten) untereinander abzugleichen und dabei die Qualität vor allem der älteren Daten (vor ca. 1950) zu verbessern. Manchmal gibt es da auf dem Fichtelberg scheinbar unerklärliche Phänomene wie Neuschneezuwachs ohne Niederschlag.
    Wann genau wurden im Winter 1911 auf dem Keilberg die 307 cm Schnee gemessen? Auf deutscher Seite waren es überall weniger als 2 m, selbst die Zugspitze hatte im März 1911 nur maximal 4 m. Aber Sie haben Recht , die lückenlose Fichtelbergmessreihe beginnt erst 1916 (von 1910-1915 war nur ein ehrenamtlicher Beobachter angestellt, die Messungen erfolgten fast immer unpünktlich oder überhaupt nicht)
    Man sollte jedenfalls die Schneehöhen von Keilberg und Fichtelberg miteinander abgleichen…… česko-německá spolupráce! 😉

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  5. Frank schreibt:

    Bitte geben Sie mir Ihre E-Mail-Adresse. Ich sende Ihnen die Daten von Keilberg.

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