Viele erinnern sich noch an den Januarsturm FRIEDERIKE, der mit 205 km/h über den Brocken fegte. Viele können sich absolut nicht vorstellen, wie sich derartige Windgeschwindigkeiten anfühlen. Marc Kinkeldey von der Wetterwarte auf dem Brocken hat einen eindrucksvollen Bericht über dieses Erlebnis verfasst, für welchen wir uns recht herzlich bedanken möchten!

Das große Fräsen nach dem Orkan, meterhohe Schneewände am Brockenbahnhof mit Wetterbeobachter Marc Kinkeldey als Messpegel (Selbstpotrait), 21.01.2018 Foto: Mark Kinkeldey
Zufällig genau vor elf Jahren hinterließ Orkantief Kyrill in Deutschland eine Schneise der Verwüstung. Just auf den Tag genau, am 18. Januar, diesmal 2018 stand Orkan FRIEDERIKE vor der Tür. Bereits einige Tage zuvor war dieses Tief in den Vorhersagemodellen zu erkennen. Schwankungen gab es dann wieder, wie bei jeder Vorhersage und 48 Stunden vor seinem Eintreffen schien die Heftigkeit abzunehmen. Kurze Zeit später war dann doch alles ganz klar und die Unwetterwarnungen wurden besonders für die Mitte Deutschlands ausgesprochen. In einem Streifen von NRW über die Mitte bis ins Sächsische Bergland wurden die höchsten Geschwindigkeiten erwartet.
Im Harz machte man sich keine so großen Sorgen, denn Stürme sind die Harzer gewohnt. Interessant würde die Schneemenge und die Schneefallgrenze sein, da bei reichlich Neuschnee und Orkan dann auch speziell der Hochharz mit den Wetterunbilden zu kämpfen hätte.
FRIEDERIKE erreichte am Morgen Deutschland und zog mit seinem Kern über Norddeutschland hinweg gen Osten. Damit lag besonders Mitteldeutschland genau in seinem Windfeld. Auf dem Brocken selbst stürmte es schon seit Tagen mit Orkanböen, doch für diesen extremen Berg, wo seit 181 Jahren akribische Wetterbeobachtung stattfindet, ist das nix Besonderes.
Am Morgen setzte bereits Niederschlag ein, wo es unterhalb 500 Meter regnete, fiel in den Hochlagen reichlich Schnee. 27cm Neuschnee fielen an diesem Tag und erhöhten die Gesamtschneemenge auf 1,75 Meter. Der Weg aus dem Schierker Tal zum Berg war recht abenteuerlich. Die Brockenstraße war teils schon stark verweht und ich erreichte mit unserem Dienstwagen das Brockenplateau bereits nicht mehr. Somit ging es wie so oft in diesem Winter die letzten 300 bis 400 Meter zu Fuß zur Wetterwarte. Das hört sich jetzt nicht dramatisch an, doch bei Mittelwinden um 110 und Böen bis 140 Stundenkilometer, dazu heftiges Schneetreiben bei Sichtweiten um fünf Meter und meterhohe Schneeverwehungen, kann sich dieser kurze Weg mächtig in die Länge ziehen. Die Orientierung ist fast null, alles weiß und der Orkan nimmt einem schlicht die Luft zum Atmen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte ich dann unsere Station, wo der Kollege Ingo Nitschke schon seinen Dienst seit sieben Uhr morgens verrichtete. Nach so einem Fußmarsch im Schneesturm sieht man selbst wie ein Eisklumpen aus, ohne Skibrille wäre man sowieso verloren.
Während des Routinedienstes an der Station (Wetterbeobachtung, Radio-aktivitätsmessung sowie Sondermessungen für Umweltamt und Forschungsinstitute) nahm der Orkan weiter zu. Gegen Mittag maßen wir bereits Böen von 184 Sachen, der Mittelwind lag schon seit Stunden im Orkanbereich. Wenn der Mittelwind über einen Zeitraum von zehn Minuten nicht unter 118 Stundenkilometer fällt sprechen wir von einem richtigen bzw. waschechten Orkan, sonst nur von Orkanböen. Ab Spitzen von 120 und mehr beginnt die massiv (150cm stark) gemauerte Wetterwarte an zu Schwanken, je heftiger die Böen je mehr wackelt alles.
Gegen 14 Uhr erreichten wir dann den Höhepunkt. Ich stand grad am Fenster und blickte hinaus. Der dicke Brockennebel war verschwunden, der Schneefall hatte kurz aufgehört. Die Sichte reichte nach Süden fast 120 Kilometer weit bis zum Thüringer Wald und zehn bis 15 Meter über Grund peitschte der Orkan den Schnee in Form von Schneetreiben über den Gipfel. Eisablagerungen an Bäumen oder Gebäuden wurden abgerissen und wie Geschosse über den Gipfel katapultiert. Der Mittelwind erreichte jetzt eine Geschwindigkeit von 152 Stundenkilometer, die Böen bis 205! Der Turm arbeitete gewaltig, alles knackte, die Scheiben wackelten und ich ging sofort einige Schritte rückwärts. Jeder von uns hat schon viele Stürme hier oben erlebt, doch ob die Scheiben halten, weiß man ja nie.
Stundenlang jagte eine Böe die Nächste, viele 180 oder darüber. FRIEDERIKE war der stärkste Brockenorkan seit 1991 (damals 230km/h). An Schichtwechsel war durch meterhohe Verwehungen und umgestürzte Bäume nun nicht mehr zu denken. Überall im Harz waren die Straßen gesperrt und der Brocken sowieso. Somit harrten Kollege Nitschke und ich auch die Nacht auf dem Brocken aus. Erst nach 28 Stunden befreiten Feuerwehrleute die Brockenstraße von Bäumen und die Schneefräse den Brockengipfel von den meterhohen Verwehungen und eine Ablösung war endlich möglich.
(Marc Kinkeldey, Wetterwarte Brocken)
Klasse Bericht vom „Hochgebirgsgipfel“ und tiefer Einblick in einen Job der langsam seltener wird, Gruß an die Crew vom Brocken, Ihr alle seid beim Wind die absoluten Topscorer, weiterhin alles Gute und interessante Wetterphänomene.
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